Einfach mal schauen, was andere so machen – dazu fordern die beiden Jungunternehmer Robert Goldschmidt (rechts) und Felix Wegener (links) die Buch- und Medienbrachen auf. Als Plattform dafür bieten sie Ende April erstmals ihre Konferenz, die Dico an. 16 Speaker aus unterschiedlichen Branchen werden vor bis zu 500 Gästen darüber berichten, wie sie mit Widerständen, Grenzen und Neuem umgehen. Ko-Organisator Robert Goldschmidt (rechts im Bild) beantwortet dazu einige Fragen.
Im April findet zum ersten Mal eure Konferenz, die Direttissima statt, mit welcher ihr der Branche zu einem Blick über den Tellerrand verhelfen wollt. Warum?
Die Buchbranche steht ja schon seit einigen Jahren grossen Herausforderungen gegenüber, die nicht nur hausgemacht sind. Deshalb sind wir der Meinung, dass man vielleicht einfach mal schauen soll, was andere machen und womit sie Erfolg haben. Für die Dico haben wir deshalb Speaker aus verschiedenen Branchen eingeladen, die positive Impulse setzen und die Branchenmitglieder dazu auffordern sollen, den Blick nicht nur nach aussen zu richten, sondern auch die Sicht anderer Branchen auf den Buchhandel wahr und aufzunehmen. Einer unserer Referenten ist zum Beispiel Mike Tobin von der Whisky Union, dessen eigentliches Ziel ist, den Whisky neu zu erfinden und sehr stark auf Genuss und Hochwertigkeit setzt.
Man soll also das Buch analog zum Whisky als hochwertiges Genussmittel behandeln?
Zum Beispiel, aber da machen wir keine Vorgaben. Wenn es darum geht, Schlüsse aus den Speaks zu ziehen, erwarten wir eine gewisse Eigenleistung des Publikums. Ausserdem geht es auch um das Wie, nicht nur um das Was. Natürlich haben wir uns bei der Wahl der Referenten unsere Gedanken gemacht. Bei Sina Trinkwalder, der Gründerin von Manomama, geht es zum Beispiel um den Umgang mit Plagiaten und der Zweitverwerttungsschine, was heute ein grosses Thema ist. DM hat eine ihrer Kollektionen kopiert und daraufhin musste sie sich eine Strategie überlegen, um darauf zu reagieren. Stefan Glowacz ist ein Extrembergsteiger, der sich damit auskennt, an Grenzen zu stossen und mit hoffnungslosen Extremsituationen umzugehen.
„Wenn es darum geht, Schlüsse aus den Speaks zu ziehen, erwarten wir eine gewisse Eigenleistung des Publikums.“
Du hast oben gesagt, die Teilnehmer sollen „auch die Sicht anderer Branchen auf den Buchhandel wahr und aufnehmen“. Kannst du das etwas genauer erklären?
Die Akteure der Buchhandels- und Verlagswelt haben jahre- und jahrzehntelange Erfahrungen in dieser Branche gesammelt und kennen diese in- und auswendig. Man kennt die internen Branchenregeln sehr gut, da sich diese auch über sehr lange Zeit entwickelt haben. Aber genau dadurch läuft man Gefahr in seiner Filterblase gefangen zu bleiben und nicht mitzubekommen was eigentlich ausserhalb der eigenen Lebens- und Arbeitswelt passiert. Welche Marktteilnehmer, Technologien und sozialen Hintergründe gibt es heute eigentlich? Das ist eine immer entscheidendere Frage. Ein Zeichen für die festen Strukturen, auch im Kopf, war die Beurteilung Amazons. Zu Beginn war die einhellige Meinung, dass sich ein solches Konzept nicht durchsetzen wird. Das Ergebnis sehen wir heute. Vielleicht hätte man für eine bessere Beurteilung und Wahrnehmung der aktuellen Situation Personen aus anderen Generationen und Lebenswelten befragen soll, was sie von Amazon halten. Unsere Meinungen sind nicht universell und die Buchhandels- und Verlagswelten nicht der Nabel der Welt. Insofern werden unsere Speaker auch ihren kritischen Blick auf unsere Branche mitbringen und uns mit Wahrheiten konfrontieren, die wehtun. Das fördert aber gleichzeitig auch ein Überdenken der eigenen Position.
Ganz viele der Speaker kommen ja aus digitalen Berufsfeldern, Leander Wattig und Wiebke Ladwig sind in der Buchbranche sehr aktiv, andere sind in den Onlinemedien unterwegs. Die drei vorhin erwähnten Beispiele passen hingegen nicht in dieses Digital-Schema. Gibt es da einen roten Faden?
Wir haben die Direttissima nicht als eigentliche Digital-Konferenz konzipiert. Dass der Anteil an Digitalen unter den Vortragenden ziemlich gross ist, mag in dem Zusammenhang etwas verwirren. Das liegt aber auch daran, dass digitale Themen noch jung sind und dementsprechend viele parallele Entwicklungen stattfinden. Hier entstehen besonders viele Möglichkeiten, altbekannte Herausforderungen anzugehen.
Uns war in erster Linie wichtig, dass die Speaker für etwas bestimmtes stehen und das auch gut und überzeugend präsentieren können. Sie müssen inhaltlich fundiert sein und sie sollen das Publikum fesseln und mitreissen können. Die Direttissima dauert den ganzen Tag, da folgt ein Redner auf den anderen. Die Aufmerksamkeit beim Publikum ist ein hohes, rares Gut. Da brauchen wir Speaker, von denen wir ganz genau wissen, dass sie ihre Zuhörer fesseln können. Und sie sollen Impulse liefern, um festgefahrene Denkweisen aufzubrechen und sich für neue Ansätze zu öffnen.
„Vielleicht hätte man für eine bessere Beurteilung und Wahrnehmung der aktuellen Situation Personen aus anderen Generationen und Lebenswelten befragen soll, was sie von Amazon halten.“
Wollt ihr euch mit diesem offenen Ansatz auch von der Future Publish abgrenzen, die im Januar in Berlin zum ersten Mal an den Start gegangen ist?
Die Future Publish gibt mehr einen Ausblick darauf, was in Zukunft möglich sein wird und wohin die Reise gehen könnte. Im Gegensatz dazu zeigen wir anhand von Beispielen aus der Gegenwart auf, was es für Alternativen und Möglichkeiten geben könnte. Zudem liegt deren Fokus auf der Frage, wie wir in Zukunft Bücher verlegen wollen. Unser Ansatz ist thematisch allgemeiner und orientiert sich am Ideentransfer. Unsere Vortragenden sind alles Praktiker, die aus ihrem Alltag berichten. Wir arbeiten mit völlig unterschiedlichen Konzepten.
Wen sprecht ihr denn als Besucher an? Sind mit der Buchbranche in erster Linie die Verlagsmenschen gemeint, oder können auch die klassischen Sortimenter etwas von er Konferenz für sich mitnehmen?
Wir sprechen in erster Linie zwar die Verlagsmenschen an, wollen aber viel weiter gehen und auch die Sortimenter und die Kultur- und Medienbranche erreichen. Deshalb haben wir ja auch Referenten wie Dirk von Gehlen, den Leiter von SZ Langstrecke engagiert oder den Kunsthistoriker Christian Gries. Wir wollen ja nicht nur Impulse liefern, sondern auch zum Netzwerken einladen und den Gästen die Gelegenheit geben, mit Vertretern aus anderen Branchen in Kontakt zu kommen. Dafür bieten wir zum Ende der Vorträge, in den Pausen und nach dem offiziellen Teil auch ausgiebig Gelegenheit.
„Wir wollen nicht nur Impulse liefern, sondern auch zum Netzwerken einladen.“
Gelingt euch denn diese Durchmischung? Ihr seid ja beide wie erwähnt sehr stark im digitalen vernetzt, ist es da nicht schwierig, auch vom analogeren Teil der Branche und über die Branche herauswahrgenommen zu werden?
Innerhalb der Branche gelingt uns die Durchmischung bisher sehr gut. Wir haben Kooperationen mit den jungen Verlagsmenschen und mit Bonnier, die beide analog und digital breit aufgestellt sind. Was uns auch sehr gut geglückt ist, ist eine gute Mischung von unterschiedlichen Hierarchiestufen zu bekommen. Wir sind ja mit 110 Euro pro Ticket für eine Konferenz sehr günstig, so dass sich auch die Jüngeren eine Teilnahme gut leisten können und trotzdem haben sich auch bereits etliche Entscheider angemeldet. Was die restliche Medienbranche betrifft, war das Feedback anfangs verhalten, was auch an unserem eigenen Netzwerk liegt. Mittlerweile hat sich das aber ausgeglichen.
Warum ist für euch als Veranstalter diese Ausgewogenheit im Publikum so wichtig?
Uns ist es wichtig, dass unsere Gäste auch in den Pausen auf spannende Menschen treffen und die Konferenz zum Netzwerken nutzen können. Schliesslich haben wir vor, die Direttissima in Zukunft regelmässig durchzuführen.
Direttissima the Conference alias #dico
Die Dico findet am 22. April 2016 in der alten Kongresshalle in München statt. Organisatoren der Konferenz sind die beiden Münchner Jungunternehmer Robert Goldschmidt und Felix Wegener, die auch gemeinsam die Marketing-Agentur Direttissima führen. Beide sind gelernte Buchhändler, die sich im Zuge ihrer Laufbahn auf die digitalen Aspekte der Buch- und Medienbranche spezialisiert haben.
Mehr Informationen zum Programm und den einzelnen Speaker finden sie hier, Tickets für die Konferenz gibt es hier.