Ihr Blog heisst „Papiergeflüster“, doch die Buchhändlerin Simone Dalbert liest auch gerne Digital. In den letzten Jahren hat sie sich zur eBook-Expertin entwickelt. Im Interview spricht sie über ihre Faszination für dieses Medium und erklärt, warum es gar nicht so schwierig ist, damit umzugehen.
Sie wurden von der Autorin und eBook-Verlegerin Zoe Beck für den Virenschleuderpreis nominiert, mit der Begründung, dass Sie jetzt schon eine „Buchhändlerin der Zukunft“ seien. Was darf man sich darunter vorstellen?
Im Buchhandel und in der gesamten Buchbranche ist gerade viel im Wandel. Einige Buchhändler ignorieren diese Veränderungen, stecken den Kopf in den Sand und machen einfach so weiter, wie in den letzten 30 Jahren. Andere versuchen Wege zu finden, diese Veränderungen mitzugehen, zum Beispiel im Bereich eBooks aber auch im Onlinehandel. Ich beschäftige mich intensiv mit diesen Themen und suche nach Möglichkeiten, wie wir als Buchhändler auch in Zukunft noch ein Teil der Branche sein können.
Bleiben wir bei Ihrer Affinität zu eBooks. Wie ist diese entstanden und wie hat sie sich entwickelt?
Bei den eBooks treffen sich meine Technikaffinität und meine Leseleidenschaft. Mit der Neugier auf Technik begann es. Sobald die eBook Reader günstiger wurden, habe ich mir meinen ersten gekauft und war fortan seinen Vorteilen verfallen. Ich lese beides, auf Papier und digital. Gerade auf Reisen aber hat der eBook Reader eindeutig seine Vorteile. Ich kaufe mir inzwischen generell mehr eBooks als gedruckte Bücher. Das hat schlicht mit dem Platzproblem zu tun, das die meisten Vielleser kennen dürften.
„Ich suche nach Möglichkeiten, wie wir als Buchhändler auch in Zukunft noch ein Teil der Branche sein können.“
Wenn man einmal mit dem Medium vertraut ist: gibt es Bücher, die sich mehr als eBook eignen als andere?
Jein. Wenn man das Medium ausreizt eigentlich nicht. Belletristische Titel funktionieren als eBook sowieso genauso gut wie gedruckt. Im Kinderbuch oder im Sach- und Fachbuchbereich kommt es darauf an, wie man es umsetzt. Es gibt Verlage, die ein PDF als eBook Version verkaufen und ihre Möglichkeiten in diesem Bereich überhaupt nicht nutzen. Man kann in eBooks Videos einbinden, Verlinkungen setzen, Bilder mit Zoomfunktion einbauen oder in Kinderbüchern spielerische Elemente mit aufnehmen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Ein paar sehr wenige Bücher sind allerdings als eBook wirklich kaum umsetzbar, wie zum Beispiel das gerade erschienene „Das Schiff des Theseus“ mit seinen vielen Beigaben zum Buch. Vieles davon könnte man vielleicht auch in einem eBook einbinden, aber das Besondere dieses Buches ist elektronisch nicht abbildbar. Besondere bibliophile Ausgaben sind auf Papier unersetzbar.
Was macht ein schönes eBook aus?
Schöne eBooks sollten mit genauso viel Mühe und Liebe zum Detail gestaltet sein, wie gedruckte Bücher. Keine Textwüsten, ordentliche Absätze, keine seltsamen Worttrennungen, Verwendung von graphischen Elementen – vieles ist auch digital umsetzbar. Das Medium sollte im Rahmen seiner Möglichkeiten genutzt werden, nicht nur ein liebloser Abklatsch des gedruckten Buches sein.
Auf der anderen Seite gibt es sehr viele Menschen, die eBooks skeptisch gegenüber stehen, auch in der Buchbranche. Kann sich die Branche diese Skepsis überhaupt leisten?
Das sind die Menschen, die immer noch davon überzeugt sind, dass das Internet nur eine vorübergehende Modeerscheinung ist. Das eBook gehört inzwischen zum Alltag in der Buchbranche. Es wird das gedruckte Buch nicht ersetzen, aber es zu ignorieren bedeutet, auf einen Teil seines Umsatzes zu verzichten.
„eBooks sollten mit genauso viel Mühe und Liebe zum Detail gestaltet sein, wie gedruckte Bücher.“
In der Buchhandlung, für die Sie arbeiten, sind Sie unter Anderem für die eReader zuständig. Wieviel Aufwand bedeutet das in etwa für Sie, die Geräte so kennen zu lernen, dass Sie Kundenfragen kompetent beantworten können?
Das ist schwer festzulegen, weil ein großer Teil meines Wissens um die Geräte aus meiner Freizeit und der eigenen Anwendung verschiedener Geräte stammt. So habe ich den direkten Vergleich und stoße bei der Nutzung auf die gleichen Probleme, wie sie auch meine Kunden haben. Ich besitze und verwende verschiedene eBook-Reader, um auch Spezialanfragen wie zum Beispiel zur Cloud oder zum Vergleich verschiedener Bildschirmtechnologien sicher beantworten zu können. Es fühlt sich für mich nicht nach Aufwand an, weil mein Wissen eigentlich eine Folge meiner befriedigten Neugierde ist. Also ein positives Gefühl.
Wie wird dieses Angebot genutzt?
Einige Kunden nutzen die Möglichkeit der Beratung direkt in der Buchhandlung, oder auch telefonisch. Ausserdem bin ich mehrmals im Jahr in Bibliotheken vor Ort, um dort zum Thema eBook zu beraten und auch bei Problemen mit den Geräten zu helfen. Das wird auch nach mehreren Jahren noch gut angenommen, gerade von älteren Kunden, für die der Umgang mit technischen Geräten nicht so selbstverständlich ist wie für andere.
„Kunden, die ihre eBooks bei Amazon kaufen, weil ihr Buchhändler sie weggeschickt hat als sie nach eBooks fragten, kaufen bald auch ihre gedruckten Bücher dort.“
Gerade kleinere Buchhandlungen bieten eBooks oft etwas versteckt in ihrem Webshop an, auf Fragen bekommt man häufig ausweichende Antworten wie „das müsste dann schon funktionieren“. Andere Buchhandlungen haben den Verkauf von eBooks wieder eingestellt, weil sie keine kompetente Beratung anbieten können. Welchen Umgang raten Sie Buchhandlungen, die keine Spezialisten im Team haben?
eBooks sind eigentlich keine Hexerei, wenn man sich einmal das Basiswissen angeeignet hat. Dafür gibt es Webinare und Unterlagen, mit denen man die normalen Fragen ohne Probleme beantworten kann. Vom eReader Verkauf würde ich eventuell abraten, dabei kommen schon eher spezielle Fragen. Aber den Verkauf von eBooks, über den Online-Shop und auch stationär, würde ich auf jeden Fall anbieten. Die wenigsten Kunden lesen nur digital, die meisten lesen gemischt. Kaufen die ihre eBooks bei Amazon, weil ihr Buchhändler sie weggeschickt hat als sie nach eBooks fragten, kaufen sie bald auch ihre gedruckten Bücher dort. Das kann sich kein Buchhändler mehr leisten.
Man streitet über harten oder weichen Kopierschutz und um den Mehrwertsteuersatz und einige eBooks soll man in Deutschland aus Gründen des Jugendschutzes erst nach 22 Uhr herunterladen können. Das Medium eBook ist also noch extrem in der Entwicklung. Nervt Sie das, oder macht gerade das die Faszination aus?
Das nervt mich, weil ständig jemand etwas Neues findet, was jetzt auch noch auf das eBook zutrifft. Es ist ein Buch, also gibt es eine Buchpreisbindung, was ich gut finde. Es ist aber eine „auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung“, deshalb gilt nicht der ermässigte Mehrwertsteuersatz. Ausserdem ist es ein Telemedium, weshalb der Jugendschutz greift. Meistens haben diese Regelungen zur Folge, dass Anpassungen an Shops und Warenwirtschaftssystemen vorgenommen werden müssen, wie bei der Bundle-Besteuerung mit zwei verschiedenen Mehrwertsteuern auf ein und demselben Produkt. Kaum hat man sich mit dem letzten Schildbürgerstreich arrangiert, folgt der nächste. So werden der Innovation beständig Steine in den Weg gelegt.
Wie man in Ihrem Blog lesen kann, ist Ihnen der harte Kopierschutz ein besonderer Dorn im Auge. Kurz und knapp: Warum stört Sie das so und worum geht es dabei überhaupt?
Mit dem harten Kopierschutz wollen Verlage ihre eBooks vor Diebstahl schützen. Mit diesem Kopierschutz wird sichergestellt, dass die eBooks auch wirklich nur auf den eigenen Geräten gelesen werden können. Dafür sind mehrere Schritte nötig, bevor man sein eBook lesen kann. Das macht die Nutzung der eBooks für weniger technikaffine Menschen schwer bis unmöglich. Gleichzeitig verhindert es aber keinen Diebstahl, weil der harte Kopierschutz mit wenig Aufwand entfernt werden kann, wenn man das möchte. Er hindert also nur ehrliche Leser an der Nutzung von eBooks.
Welche Themen stehen sonst noch an?
Die Sichtbarkeit von eBooks im Buchhandel ist zum Beispiel ein Thema, das momentan viele beschäftigt. Viele Kunden wissen noch immer nicht, dass sie in fast jeder Buchhandlung auch eBooks bekommen können. Und reine Digital Verlage haben es so schwer, im Buchhandel vertreten zu sein.
„Mein Wunsch wäre eine eBook-Station, an der der Kunde zum Beispiel auf einem Tablet im eBook Angebot stöbern und auch bestellen kann.“
Gibt es denn gelungene Beispiele davon, wie eBooks in Ladengeschäften präsentiert und verkauft werden?
Bis vor einem Jahr gab es die eBook Cards von Epidu, mit denen Buchhändler auch unkompliziert eBooks verkaufen konnten. Die waren sehr gut geeignet, um eBooks sichtbar zu machen und um sie zu verschenken und dabei etwas in der Hand zu haben. Sie waren gestaltet wie Doppelkarten, mit Coverabbildung oder als schön gestaltete Geschenkkarte. Der Beschenkte musste nur unter einem bestimmten Link einen Code eingeben und konnte dann sein eBook herunterladen. Leider wurden die Karten aus dem Vertrieb genommen, bisher gibt es keine Alternativen. Wir müssen mit selbstgestalteten Werbemitteln wie Flyern, Aufklebern oder Störern auf die eBooks aufmerksam machen. Mein Wunsch wäre eine eBook-Station, an der der Kunde zum Beispiel auf einem Tablet im eBook Angebot stöbern und auch bestellen kann.
Wohin sollte Ihrer Meinung nach die Reise gehen, damit eBooks im Buchhandel mehrheitsfähig werden?
Mehrheitsfähig müssen sie eigentlich gar nicht werden. Was ich mir wünsche, ist, dass sie so alltäglich gehandhabt werden können, wie gedruckte Bücher auch. Dafür müssten einige technische Hürden fallen, wie zum Beispiel der harte Kopierschutz. Der Kunde sollte mit seinem eBook Reader in die Buchhandlung kommen können und das gewünschte eBook gleich aufgespielt bekommen. Das ist dank des Kopierschutzes nur sehr schwer möglich, auch es funktioniert derziet nicht mit allen Geräten und mit jedem Gerät auf einem anderen Weg. Das ist ein Wissen, das ich wirklich nicht mehr von jedem Buchhändler erwarten kann. Das Leben mit eBooks sollte leichter werden, damit jeder sie einfach nutzen kann, der ihre Vorteile zu schätzen weiss.
Simone Dalbert
Simone Dalbert ist Buchhändlerin und Buchbloggerin. Als Sortimenterin arbeitet sie in der Würzburger Fachbuchhandlung Schöningh, wo sie unter Anderem für den Bereich eBooks zuständig ist und den Online-Auftritt inklusive der Social Media-Kanäle bewirtschaftet. Privat besitzt sie acht eReader und betreibt das Buchblog „Papiergeflüster“. Der Titel des Blogs ist auch der Titel eines Buches, das Simone Dalbert geschrieben hat und das sowohl als Print- wie auch als Digital-Ausgabe erhältlich ist: Papiergeflüster – Aus dem Leben einer Buchhändlerin.
[…] hat mich auf ihrem Blog zum Thema Buchhandel und eBooks […]